Wenn man sich mit Kinder- und Kleinkinderpflege und Erziehung beschäftigt, kommt man als Vater oder Mutter schnell an einen Punkt, an dem einzelne Verhaltensweisen und Maßnahmen sehr unterschiedlich beurteilt werden. Was die Einen unbedingt als sinnvolle Unterstützung empfehlen, wird wiederrum von Anderen als mindestens mal fragwürdig oder gar gefährlich eingestuft. So verhält es sich auch mit dem Pucken von Babys. Leider wird die Diskussion oft stark überhitzt (um nicht zu sagen aggressiv) geführt und vernünftige Argumente kommen manchmal zu kurz oder werden im schlimmsten Fall plump abgebügelt. Das Ergebnis sind verunsicherte Eltern und viel aufgeladene, emotionalisierte Verwirrung. In diesem Artikel machen wir den Versuch objektiv, unaufgeregt und ideologiefrei das Pucken und vor allem die Frage „Ist Pucken gefährlich für Kinder?“ zu beleuchten.
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Was sagt die Wissenschaft? Gibt es Studien zum Pucken?
Immer wieder werden in Medien, Blogs und diversen Online und Offline Magazinen Studien zitiert, die die Gefährlichkeit des Puckens verdeutlichen. Es werden Ärzte, Verbände, Orthopäden, Hebammen und Wissenschaftler aus aller Welt genannt, die angeblich in neusten Studien und Untersuchungen zum Schluss kamen, dass Pucken für Kinder gefährlich ist. Hauptargumente sind dabei vor allen Dingen das steigende Risiko für Fehlbildungen der Hüfte und für den plötzlichen Kindstod. Leider wird sehr häufig undifferenziert und verallgemeinernd über „das Pucken“ als Solches gesprochen. Schauen wir uns doch die beiden eben erwähnten Aspekte noch mal etwas genauer an:
Studie aus Australien zum Thema Fehlbildung der Hüfte
Veröffentlicht wurde die Studie zuletzt im „Medical Journal of Australia“. (Hier der Link zur ausführlichen englischsprachigen Studienbeschreibung und Auswertung der Ergebnisse: https://www.mja.com.au/journal/2016/204/6/increase-late-diagnosed-developmental-dysplasia-hip-south-australia-risk-factors ) Das Journal gilt als durchaus seriöse Quellen für medizinische Veröffentlichungen aller Art. Inhaltlich geht es um den deutlichen Wirkungszusammenhang von steigender Anzahl von Fehlstellungen der Hüfte, genauer des Hüftgelenkes (Hüftdysplasie) bei Neugeborenen und dem beobachteten Trend zum Pucken der Kleinkinder.
Auf den ersten Blick sieht es tatsächlich recht eindeutig aus: Die Hüftfehlstellung ist eine Folge des Puckens. Die reißerische Überschrift „Pucken ist gefährlich – neuste Studien aus Australien belegen das“ ist schnell geschrieben und die Blogs, Magazine und Zeitschriften können sich freuen über die Aufmerksamkeit, Klicks und Auflage, die sie damit erzeugen. Die Folgen sind allerdings weniger lustig: Verunsicherte Eltern machen sich Sorgen und was eben noch beispielsweise von der Hebamme empfohlen wurde und unter Umständen auch tatsächlich hilft, wird nun in ein sehr zweifelhaftes Licht gerückt. Doch was ist dran an diesem Ergebnis bzw. was genau wurde in der Studie untersucht? Kann man dem „Pucken ist gefährlich“-Titel wirklich uneingeschränkt glauben? Wer sich die Mühe macht die Studie im Detail zu lesen, wird recht schnell feststellen, dass hier vom (Zitat) „unangemessenen Pucken der unteren Extremitäten“ ausgegangen wird. Diese Art des Puckens hat wie die Studie zeigt höchstwahrscheinlich den oben beschriebenen negativen Einfluss auf die gesunde Ausbildung der Hüfte bei Neugeborenen.
Fazit zu der australischen Studie
Das bedeutet: Beim Pucken ist es äußerst wichtig auf die freie Stellung der Beine des Kindes zu achten. Wenn das Kind ungehindert strampeln kann, gibt es auch keinerlei Gefahr für eine Fehlstellung der Hüfte. Am einfachsten geht das tatsächlich mit einem entsprechend geschnittenen Pucksack, mit dem diese „freie Hüftstellung“ automatisch gewährleistet ist. Wer sein Kind mittelalterlich in eine Art „Kokon“ fest einwickelt, riskiert die in der Studie erwähnten Hüftprobleme.
Studie aus Amerika zum Risiko für plötzlichen Kindstod
Die hier vorliegende Studie wurde veröffentlicht durch die Organisation der American Academy of Pediatrics. Dabei handelt es sich um einen Verband der Pädiatrie (Kinderheilkunde), denen fast alle Kinderärzte in den USA angehören. In dieser Studie wird der Zusammenhang von Pucken und dem Auftreten des so genannten plötzlichen Kindstodes untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass es durchaus einen Zusammenhang gibt. Das Risiko für den plötzlichen Kindstod steigt bei gepuckten Babys tatsächlich, wenn sie auf dem Bauch oder auf der Seite liegen. Diese wichtige Einschränkung darf nicht außer acht gelassen werden. Denn das Schlafen auf dem Bauch ist unabhängig vom Pucken keine empfohlene Schlafposition für Säuglinge und Neugeborene. Die Beweglichkeit des Kopfes, genauer des Nackens ist bei weitem noch nicht ausgeprägt genug und so kann das Kind im schlimmsten Fall ersticken. Mit dem Pucken würde das noch begünstigt werden, was die Studie auch zeigt.
Was bedeutet das in der Praxis und ist Pucken wirklich gefährlich?
Wenn man sich also etwas genauer mit den in letzter Zeit häufig zitierten Studien auseinandersetzt, wird deutlich, dass man Pucken nicht grundsätzlich als gefährlich einstufen kann. Allerdings wird auch klar, dass es durchaus ein paar wichtige Punkte gibt, die man beachten sollte und muss. Hier noch mal die wichtigsten Aspekte, die man im Zusammenhang mit dem Pucken wissen und beherzigen sollte:
- Die Beine des gepuckten Babys sollten möglichst nicht zu stark fixiert werden, so dass das freie Strampeln weiter möglich ist und die Hüfte sich ungestört und natürlich entwickeln kann. Am Besten gelingt das mit einem Pucksack*
- Man sollte das Baby im Pucksack auf keinen Fall auf dem Bauch schlafen lassen (das gilt auch ohne Pucksack)
- Nicht zu fest pucken, damit der Brustkorb und damit die Atmung des Säuglings nicht beeinträchtigt wird
- Kranke und fiebrige Kinder dürfen nicht gepuckt werden (Überhitzung)
- Nicht zu dick pucken. Auch hier geht es um die Temperaturregelung und Vermeidung von Überhitzung
Beachtet man diese Punkte und hört auch sonst auf die Signale des Babys, kann man mit dem Pucken an sich nichts falsch machen. Natürlich ist es kein Allheilmittel und sorgt von jetzt auf gleich für ruhige und entspannte Nächte, aber es kann helfen und ist durchaus wert es mal auszuprobieren.
Wie sehen eure Erfahrungen mit dem Pucken aus? Weitere Meinungen und Diskussionen in den Kommentaren sind herzlich willkommen.
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